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U-Boot, Leuchtturm oder Baukasten: Welche Digitalisierungs-Strategie passt zu Ihnen?

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von Steffen Meyer
27.04.2022 - Lesezeit: 7 Minuten

Wenige Unternehmen in Deutschland kommen noch ohne Digitalisierungsstrategie aus: In einer Umfrage des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsunternehmen Bitkom vom Januar 2022 gaben nur 16 Prozent an, keinen Plan für die digitale Transformation zu haben. Vor zwei Jahren lag der Anteil mit 26 Prozent noch deutlich höher.

Balkendiagram zur Digitalisierung in Deutschland

Die Vorteile der Digitalisierung haben sich also herumgesprochen, jetzt handeln die Unternehmen. Doch tun sie es auch auf die richtige Weise? Wir stellen hier die Vor- und Nachteile der drei am häufigsten verwendeten Strategien vor und geben am Ende ein klares Plädoyer.

Wenn Sie uns Feedback geben wollen, schreiben Sie gerne an info@prepend.de.

Auf Tauchstation: Die U-Boot-Strategie

graphic U-Boot Strategie

Kurzbeschreibung:

Das obere Management (C-Level) gibt grünes Licht für ein digitales Projekt und bestimmt einen Project Owner. Diese*r sucht sich informell ein Team zusammen und versucht, das Projekt zum Abschluss zu bringen.

Bei einem Erfolg wird das Projekt zelebriert, bei einem Fehlschlag heimlich beerdigt. Der C-Level übernimmt die volle Verantwortung und stärkt dem Project Owner bei kritischen Nachfragen den Rücken.

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Vorteile:

  • Da wenig Personen beteiligt sind, gibt es weniger Widerstände und Diskussionen, wodurch das Projekt schnell umgesetzt wird

  • Bei einem Fehlschlag gibt es nur wenig Kritik von außen und innen, da nicht viele von dem Projekt überhaupt wussten

  • Es werden verhältnismäßig geringe Ressourcen gebunden

  • Gerade für experimentelle Vorhaben geeignet

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Nachteile:

  • Übergangene Stakeholder*innen könnten demotiviert werden

  • Durch das Auslassen von Feedback-Schleifen kann es zu Qualitätseinbußen kommen

  • Hohes Commitment und Vertrauen des C-Levels erfordert – vor allem bei einem Fehlschlag 

  • Wirklich geheim kann ein Projekt aufgrund informeller Kanäle (Kaffeeküche) kaum sein und könnte dadurch mehr Kritik erfahren als offizielle

  • Für strategisch wichtige Kernprojekte ungeeignet

Strahlendes Beispiel: Die Leuchtturm-Strategie

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Kurzbeschreibung:

Das obere Management (C-Level) verkündet offiziell und womöglich auch der Presse ein Digital-Projekt, das bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sein soll. 

Bei einem Erfolg dient das Projekt als Vorbild für weitere Digitalisierungsvorhaben. Da es nach der Losung „Koste es, was wolle“ zum Abschluss gebracht wird, äußert sich ein Fehlschlag eher in einem starken Missverhältnis zwischen Kosten und Qualität und nicht darin, dass das Projekt abgebrochen wurde.

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Vorteile:

  • Aufgrund der klaren Mission weiß die Belegschaft, worum es geht

  • Alle Bereiche müssen miteinander arbeiten und verringern so Silo-Mentalität

  • Wegen der hohen Sichtbarkeit ist ein Abbruch unwahrscheinlich

  • Um das Zeitfenster einzuhalten, werden Hindernisse schnell abgebaut

  • Guter Kommunikationsanlass, um öffentliche Wahrnehmung zu erhöhen

  • Gut geeignet für strategisch wichtige Kernprojekte

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Nachteile:

  • Auch wenn das Projekt nicht mehr als notwendig oder sinnvoll erachtet wird, ist ein Abbruch unwahrscheinlich – der Leuchtturm wird zum Gefängnis

  • Da bereichsübergreifende Lösungen nur für dieses eine Projekt erarbeitet werden, sind diese nicht automatisch mit Folge-Projekten kompatibel

  • Gefahr eines intern und öffentlich wahrgenommenen Fehlschlags

  • Losung „Koste es was wolle“ kann zu einem überteuerten und/oder unausgegorenen Endprodukt führen 

  • Ungeeignet für Experimente mit ungewissem Ausgang

Stein auf Stein: Die Baukasten-Strategie

Teaser image for digitalization strategy 'Baukasten'

Kurzbeschreibung:

Das obere Management (C-Level) gibt die Losung aus, alle Prozesse und Strukturen des Unternehmens zu durchleuchten, zu optimieren und zu digitalisieren.

Bei einem Erfolg kann das Unternehmen auf jede Herausforderung maßgeschneiderte digitale Lösungen entwickeln und optimiert fortlaufend das System. Ein Fehlschlag äußert sich darin, dass alles länger dauert als gedacht und es keine sichtbaren Ergebnisse gibt.

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Vorteile:

  • Ganzheitliche Strategie, die Unternehmensprozesse und -strukturen nachhaltig digitalisiert

  • Durch die Analyse werden redundante oder überflüssige Prozesse erkannt und die Arbeit im Unternehmen generell verschlankt 

  • Das Silo-Denken einzelner Abteilungen wird durch den ganzheitlichen Ansatz sukzessive verringert

  • Da es ein andauernde Strategie ist, werden Fehlschläge eher als Learnings wahrgenommen

  • Geeignet für Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell auch für zukünftige Entwicklungen wappnen wollen

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Nachteile:

  • Die Veröffentlichung der Strategie ist wenig öffentlichkeitswirksam – Baukästen versprühen keinen Glamour

  • Mühsames Zusammentragen von Informationen (“Grinding”) 

  • Sichtbare Erfolge stellen sich erst langfristig ein

  • Niemals endende Optimierung

  • Ungeeignet für Unternehmen, die vor allem auf kurzfristig vorzeigbare Projekte wert legen

Bildlich gesprochen: Ein Vergleich in Grafiken

Gemeinsamkeiten

graphic strategies

Alle Strategien verlangen ein hohes Commitment der Führungsebene, da sonst die Gefahr besteht, dass das Projekt versandet oder abgebrochen wird.

Während man sich mit Leuchtturm und U-Boot vor allem Pilotprojekten widmet, ist der Baukasten ganzheitlich angelegt.

Ablauf

Graphic to the digitalization process

Bei Leuchtturm und U-Boot beginnt man mit einem konkreten Ziel und arbeitet sich anhand dieses Ziels immer weiter in die Unternehmensstrukturen vor.

Die Baukasten-Strategie hingegen setzt bei den grundlegenden Strukturen an, um darauf aufbauend Lösungen zu entwickeln.

Kein Spielzeug: Ein Plädoyer für den Baukasten

Dennis Kluge

Kommentar von Dennis Kluge,
Geschäftsführer der Digitalberatung prepend:

„Für viele Unternehmen erscheint die Leuchtturm-Strategie sehr verlockend. Die Führungsebene gibt ein konkretes Ziel vor, die gesamte Mannschaft arbeitet zusammen daraufhin und am Ende wird gemeinsam gefeiert. Was für eine Story!

Gerne wird bei der Vorstellung solch einer Strategie das Apollo-Projekt der USA als Vergleich herangezogen: Präsident John F. Kennedy gab 1961 die Losung aus, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Mann auf den Mond und wieder zurückzuschicken. Das gesamte Land vereinte sich hinter dieser Mission und rühmte sich am Ende damit, ein Stück Menschheitsgeschichte geschrieben zu haben. Diesem Ideal lohnt es sich doch nachzueifern, oder?

Picture with a Apollo rocket

Bei der Leuchtturm-Strategie wird gerne an die Apollo-Mission gedacht ...

Quelle: NASA, Public domain, via Wikimedia Commons

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... doch sollte man sich auch die Folgen von Chinas „Großen Sprung nach vorne“ in Erinnerung rufen.

Quelle: 张青云, Public domain, via Wikimedia Commons

Nunja, wer solche historischen Vergleiche wagt, sollte im Geschichtsbuch auch zum ‘Großen Sprung nach vorne’ blättern: Unter dieser Kampagne gab Chinas Präsident Mao Zedong 1958 die Losung aus, das Land in eine kommunistische Gesellschaft zu verwandeln. Die dazu ausgegebenen Produktionsziele von Land- und Stahlwirtschaft waren dabei so unrealistisch, dass die Verantwortlichen die Zahlen schlicht fälschten, um nicht in Ungnade zu fallen. Am Ende wurde sogar deutlich zu wenig produziert. Die Folge war ein Stück dunkle Menschheitsgeschichte: 45 Millionen Chines*innen verhungerten. Das Leuchtturm-Projekt wurde zum Verhängnis.

Estlands "Tigersprung" als Vorbild

Natürlich hängt an der Digitalisierung eines Unternehmens nicht das Schicksal eines ganzen Staates. Allerdings sollten sich Führungskräfte das Risiko einer Leuchtturmstrategie bewusst machen. Mit einer U-Boot-Strategie lassen sich schädliche Fehlschläge zwar gut versenken, aber nachhaltig ist das auch nicht: Schließlich werden hier wichtige Stakeholder*innen übergangen und der Ausgang ist genauso ungewiss wie beim Leuchtturm.

Wer Digitalisierung ernsthaft angehen möchte, sollte auf große Show verzichten und auf die Baukasten-Strategie setzen. Das hat auf den ersten Blick zwar nicht so eine große Strahlkraft, aber das Risiko ist minimal und die Transformation nachhaltig. 

Als historisches Vorbild kann der ‘Tigersprung’ Estlands dienen, mit dem die Regierung 1997 begann, ihr Bildungssystem zu digitalisieren: Alle Schulen sollten mit Computern ausgerüstet und ans Internet angeschlossen, Lehrkräfte in digitalen Kompetenzen weitergebildet und neue Bildungsprogramme entwickelt werden. Und zwar in dieser Reihenfolge. 

Statt also zu sagen ‘Wir werden bis Ende des Jahrhunderts die beste Bildungs-App hergestellt haben, die es je gab’ hat der Staat ganz schnöde erst die Infrastruktur geschaffen und Stück für Stück darauf Prozesse und Applikationen aufgesetzt. 

Estlands ‘Tigersprung’ mag nicht so bekannt sein wie Chinas ‘Großer Sprung nach vorne’ oder der US-amerikanische ‘Große Schritt für die Menschheit’, aber heute gilt Estland als Leuchtturm der Digitalisierung in Europa. Das ist doch auch eine gute Story.”

Sie wollen jetzt selbst die Baukasten-Strategie anwenden? Oder vielleicht doch etwas mehr ins Risiko gehen? In beiden Fällen sollten Sie vorher mit uns sprechen. Wir klären gemeinsam, welche Herangehensweise am besten zu ihrem Unternehmen passt. Vereinbaren Sie jetzt einen Termin.

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